Warum die Digitalisierung unser Klima retten kann
Wie Digitalisierung den Kampf gegen den Klimawandel unterstützt – fünf Beispiele
Zum Ende der Zehnerjahre stehen zwei Dinge fest. Erstens: Die Digitalisierung hat Leben und Wirtschaften bereits einschneidend verändert und wird in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten sogar noch größere Veränderungen mit sich bringen. Die vierte industrielle Revolution ist immer noch in vollem Gange. Elementare Bausteine wie der 5G-Mobilfunk, der bei Vernetzung und smarten Systemen ganz neue Möglichkeiten eröffnet, können sogar erst jetzt hinzugefügt werden. Zweitens: Nachhaltigkeit und Klimaschutz zählen zu den drängendsten Zukunftsproblemen, wenn es den Menschen noch gelingen soll, den von ihnen selbst durch gigantischen CO2-Ausstoß angeheizten Klimawandel noch aufzuhalten. Dabei können sich Digitalisierung und Klimaschutz ergänzen, denn die neuen Technologien besitzen auf vielen Ebenen auch ökologisches Potenzial.
Digitalisierung und Klimawandel in der Diskussion
Geht es um die Auswirkungen der Digitalisierung, steht dieser Punkt oft im Abseits. Häufiger wird sogar der hohe Energie- und Ressourcenverbrauch der Technik als weiterer klima- und umweltgefährdender Faktor ausgemacht. Tatsächlich benötigt das weltweite Datennetz schon jetzt enorme Strommengen. Energieexperten schätzen, dass der Betrieb des Internets die Leistung von rund 25 Atomkraftwerken konsumiert. Allein die Google-Rechenzentren haben dabei einen ähnlichen Stromverbrauch wie eine kleinere Großstadt. Aber die Technik kann schon heute – und in weiteren Evolutionsstufen noch deutlicher – Ressourceneinsparungen in anderen Bereichen bewirken und ihren eigenen ökologischen Fußabdruck damit mehr als kompensieren.
Solche CO2-Fußabdrücke etablieren sich langsam als eine der wichtigsten zukünftigen Maßeinheiten: für Menschen mit ihrer individuellen CO2-Bilanz aus Ernährung, Wohnen, Mobilität oder Konsum genauso wie für einzelne Güter und Dienstleistungen oder ganze Unternehmen. Denn mittlerweile ist klar, dass die Menschheit dem Klima eine viel zu hohe Produktion des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid – also CO2 – aufbürdet. Neben natürlichen Klimaveränderungen durch wechselnde Sonnenaktivität, die es schon immer gab, verursacht das Treibhausgas CO2 eine langsame globale Erwärmung. Die Polkappen oder Gletscher schmelzen, Meerestemperaturen steigen, Landschaften und ganze Ökosysteme verändern sich und immer häufiger entstehen extreme Wetterlagen.
Um diese Entwicklung zu verlangsamen oder gar zu stoppen, braucht es kurzfristig radikale Änderungen in Lebensweise, Energieversorgung oder Verkehr und Wirtschaftsproduktion. Gewohnte Standards und Produktivität sollen zugleich erhalten bleiben. Damit dieser Spagat gelingt, müssen sämtliche Prozesse und Strukturen unserer Ökonomie konsequent hin zu größerer Nachhaltigkeit oder Ressourceneffizienz umgestaltet werden. Dies kann nur durch den Einsatz neuer Technologien gelingen, wie sie die Digitalisierung immer wieder hervorbringt oder ausbaut. Ein paar Beispiele:
#1 Energieversorgung
Im Rahmen der Energiewende gewinnen regenerative Energieträger immer mehr an Bedeutung und deckten im deutschen Stromsektor 2018 bereits rund 40 Prozent des Verbrauchs. Das ist ein gewaltiger Anteil, aber er wird sich in den nächsten Jahren noch einmal wesentlich erhöhen müssen, wenn Atom- oder Kohleausstieg endgültig vollzogen werden. Allein zusätzliche Windräder oder Solarkollektoren genügen dafür nicht. Neben der Wasserkraft zählen Wind und Sonne zwar zu den wichtigsten regenerativen Energieträgern, sie besitzen zugleich aber auch zwei Schwachpunkte. Ihre Gewinnung kann nur dezentral erfolgen und verläuft zudem oft unregelmäßig.
Erst intelligente Stromnetze – Smart Grids – fassen die einzelnen Anlagen zu virtuellen Kraftwerken zusammen, um das Risiko wetterbedingter Versorgungsschwankungen mit Stromüberschüssen oder einer Unterversorgung zu minimieren. Beispielsweise Elektroautos könnten zu dringend benötigten Stromspeichern werden, die einen zusätzlichen Puffer schaffen. Ein derartiges System braucht eine umfassende Steuerung, die in der Lage ist, landesweit in Echtzeit Stromerzeugung und -verbrauch zu analysieren und mit künstlicher Intelligenz selbstständig Energie umzuleiten, einzulagern, abzurufen oder auf Störungen zu reagieren.
#2 Mobilität
Eng verbunden mit den Stromnetzen der Zukunft ist auch das Thema nachhaltige Mobilität. Sie bedeutet mehr als nur die Abkehr von Verbrennungsmotoren hin zu Elektro- oder Hybridfahrzeugen, die Ladesäulen benötigen. Hinzukommen weitere Carsharing-Konzepte oder autonomes Fahren, Drohnen oder Roboter zum Beispiel für Güterbewegungen im Nahbereich. Auch hier wächst dann schnell ein komplexes System heran, das ohne intelligente Steuerung und Management mit Digitaltechnologie nicht funktionieren kann.
Ähnlich wie in anderen Bereichen entsteht auf und neben den Straßen dann ein komplexes Netzwerk, mit dem sich auch das Verkehrsaufkommen verändern wird. Die Vernetzung von Fahrzeugen und Verkehrsinfrastruktur zu einer smarten Mobilität entlastet die Straßen, vermeidet unzählige Kilometer an Staus, senkt so Umweltbelastungen, erhöht die Verkehrssicherheit und trägt entscheidend zur Verbesserung der Lebensqualität – vor allem in den Ballungszentren – bei.
#3 Landwirtschaft und Handel
Ob Automation oder GPS: Die deutschen Landwirte zählten schon immer zu den Vorreitern bei der Adaption neuer Techniken und Verfahren. Aber die digitale Transformation im Agrarbereich wird noch viel weiter voranschreiten. Autonome Fahrzeuge und Roboter sind dabei, die Ernten mehr und mehr zu übernehmen. Zuvor überwachen Sensorik oder Drohnen die Entwicklung von Pflanzen und Feldern, steuern vollautomatisch die Bewässerung oder den Einsatz von Düngemitteln nach Bedarf. Ebenso wird sich die Tierhaltung verändern. Auf digitaler Basis entstehen flächendeckende Qualitätskontrollen der Erzeugnisse und damit besserer Verbraucherschutz. Die Technik kommt auch dem Tierwohl zugute, wenn die Aufzucht in den Betrieben weiter automatisiert und durch Erfassung der individuellen Entwicklungs- oder Verhaltensdaten besser auf die einzelnen Tiere abgestimmt werden kann.
Das Ziel solcher Präzisionslandwirtschaft sind Energieeinsparungen, verringerte Umweltbelastungen und mehr Effektivität bei der internen wie externen Logistik. Diese wirkt bis in den Handelsbereich hinein und kann direkt mit den Warenwirtschaftssystemen der großen Supermärkte kommunizieren. Die sammeln zukünftig immer mehr detaillierte Daten zum Konsumverhalten oder einzelnen Einkäufen zu bestimmten Zeiten und steuern ihre Bestellungen insbesondere bei frischen Waren dadurch zunehmend gezielter. Das spart Kosten oder Umweltbelastungen von Transporten und reduziert gleichzeitig den Energieverbrauch für eine adäquate Lagerung. Außerdem hilft die intelligentere Logistik dabei, den riesigen Berg an Lebensmitteln zu reduzieren, den die Geschäfte entsorgen – aktuell jährlich mehr als eine halbe Million Tonnen.
#4 Recycling
Neben der Müllvermeidung bleibt Recycling weiterhin eine große Agenda für eine nachhaltiger lebende Gesellschaft. Die Deutschen trennen privat wie gewerblich zwar fleißig ihren Müll, aber trotzdem erreichen die Recyclingquoten selbst in optimistischen Berechnungen nur bescheidene Werte von klar weniger als 50 Prozent. Der Anteil an altem Plastik beispielsweise, aus dem neue Plastikprodukte entstehen, bewegt sich noch weit darunter im einstelligen Bereich, während der große Rest in der Verbrennung landet. Immer noch nutzt die Industrieproduktion insgesamt zu über 80 Prozent Primärmaterialien.
Die Digitalisierung kann dem schwächelnden Recyclingsystem auf die Beine helfen und daraus eine echte ökologische Kreislaufwirtschaft wachsen lassen. Werden Daten zu verwendeten Rohstoffen und Produktnutzung erhoben und gesammelt, lassen sich Abfälle gezielt dahin lenken, wo Bedarf an den jeweiligen Rohstoffen besteht. So trägt Plastik schon heute eine Infrarot-Signatur, die es erlaubt, zumindest die Herkunft nachzuvollziehen. Solche Kennzeichnungen sind für alle Produkte denkbar und könnten mit ihren Informationen eine riesige Datenbank voller wertvoller Rohstoffe begründen. Je mehr davon wieder genutzt wird, desto weniger Primärrohstoffe sind erforderlich. Das schont Ressourcen und senkt den Energieverbrauch – denn der übersteigt für originale Produktion, Abbau oder Transport zumeist signifikant den eines Recyclings.
#5 Unternehmen
Durch die Verwendung von mehr Recyclingprodukten haben Unternehmen dann unmittelbar positiven Einfluss auf ihren CO2-Fußabdruck und rücken dem von vielen Firmen angestrebten Ziel der Klimaneutralität ein großes Stück näher. Interne Digitalisierung entlang der gesamten unternehmerischen Wertschöpfungskette bringt sie noch weiter, senkt zudem die betrieblichen Kosten durch größere Effizienz und lässt die Betriebe flexibler in ihren Märkten agieren. Neue Digitaltechniken erlauben gleichzeitig auch neue Produkte, die umweltfreundlicher ausfallen als ihre Vorgänger und damit ebenfalls zum Kampf gegen den Klimawandel beitragen.
Viele Güter können durch digitalen Workflow und automatisierte Produktion mit 3D-Druck zudem vermehrt mit wenig Aufwand dezentral in den jeweiligen Zielmärkten hergestellt werden. Der aufwendige und klimaschädliche Transport mit Flugzeugen oder Schiffen kann dadurch entfallen. Und auch Mitarbeiter müssen nicht mehr unbedingt zu Meetings durch das Land fahren oder um die Welt fliegen, sondern können sich viel einfacher und umweltfreundlicher in Videokonferenzen und Collaboration Tools am Schreibtisch oder mobil miteinander verbinden.
Zum Schluss
Diese kurze Liste der Möglichkeiten, die sich aus der Digitalisierung für den Klimaschutz ergeben, lässt sich noch lange fortsetzen. Digitalisierung vermag mehr, als nur das alltägliche Leben komfortabler zu machen, Produktionsprozesse zu verschlanken oder Rentabilitäten zu steigern. Digitale Technik kann zum wirkungsvollen Werkzeug werden, um den globalen Klimawandel aufzuhalten und diese Erde als lebenswerten Platz zu bewahren.