Nachhaltigkeit als neue Kompetenz für Aufsichtsräte ist genau so wichtig wie das Thema Digitalisierung
Das nachhaltige Aufsichtsrats-Problem
Unternehmen sehen sich schon seit einiger Zeit zwei riesigen Herausforderungen gegenüber: Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Nur diejenigen, die sie langfristig meistern oder sich darüber neu erfinden, dürften perspektivisch überhaupt noch eine Zukunft haben. Den Aufsichtsräten kommt dabei eine zentrale Rolle zu.
Eine neue Welt braucht neue Aufsichtsräte
Aufsichtsräte sollen als Berater für das operative Geschäft verstärkt an die Seite ihrer Vorstände rücken. Dabei sollen sich die Gremien aktiver mit Bereichen wie Marktbeobachtung oder Risikomonitoring einbringen. Weiter sollen sie sich vermehrt in die Stakeholder-Kommunikation einschalten und zum guten Schluss zum Antreiber für Digitalisierung und Nachhaltigkeit in den Unternehmen werden. Diese Forderungen formulierte die Beratergesellschaft Deloitte in Schriften wie „Directors‘ Alert“ oder „The Sustainable Board“ schon 2012. Was hat sich seitdem getan?
Raus aus alten Mustern
Die Besetzung der Aufsichtsräte in vielen Unternehmen orientierte sich in der Vergangenheit oft an ganz eigenen Regeln. Beziehungen oder Prestige waren dabei häufig wichtiger als Kompetenz für das Kerngeschäft oder überhaupt nur die notwendigen freien Kapazitäten für eine angemessene Wahrnehmung des Amtes. Schon bei der Erledigung der Kontrollaufgaben scheiterten deswegen einige Gremien. Mit einer weitergehenden partnerschaftlichen, fördernden Beziehung zum Vorstand waren und sind viele Aufsichtsräte schlicht überfordert. Es fehlt an Kompetenz, Sensibilität für Probleme oder Themen und Nähe zum operativen Geschäft. Dabei sollte gerade in Zeiten von Krisen und fundamentalen Umbrüchen der Märkte die Stunde der Aufsichtsräte schlagen.
Gerät das Unternehmen in Schieflage, sind die Räte mit einer höheren Dichte und Intensität ihrer Kontrollen gefragt. Verändern sich die Rahmenbedingungen wie jüngst mit dem Druck zu Digitalisierung oder Nachhaltigkeit können die Aufsichtsgremien dann nicht mehr nur als reine Statisten neben den Entscheidern stehen. Denn eine verantwortungsvolle Überwachung, wie sie das Aktiengesetz gleich als Erstes von den Räten fordert, geht weit über die vielen formellen Verwaltungsaufgaben hinaus, die der Gesetzestext im Anschluss formuliert. Dem können die Aufsichtsräte nur nachkommen, wenn sie sich verstärkt dem Unternehmensgeschäft und den Unternehmensstrategien zuwenden und die dafür notwendige Expertise erlangen.
Kein Unternehmen kommt mehr an Nachhaltigkeit vorbei
Seit 2017 müssen börsennotierte Unternehmen gemäß der Richtlinie zur Corporate Social Responsibility (CSR) neben ihrem Jahresabschluss auch ihren Stand in Sachen Nachhaltigkeit dokumentieren. Für diesen Teil stehen Aufsichtsräte genauso in der Verantwortung wie für die nackten Geschäftszahlen. Größerer Druck zu mehr Nachhaltigkeit kommt aber von den Shareholdern, Kunden oder Geschäftspartnern – auch abseits der großen, börsennotierten Unternehmen. Nachhaltigkeit ist kein Lippenbekenntnis oder Marketing-Versprechen mehr. Allein bei den CO2-Emissionen, dem Kauf von CO2-Rechten oder möglichen Strafzahlungen wirkt sie sich unmittelbar monetär auf das Unternehmensergebnis aus.
Hier geht es konkret um Geld, aber im Hintergrund stehen andere Währungen noch viel höher im Kurs: Glaubwürdigkeit oder generell das Image. Unternehmensführungen oder Vorstände müssen dafür mitunter noch viele Weichen Richtung nachhaltiger Zukunft stellen. Die Aufsichtsräte dürfen sie dabei nicht alleinlassen. Vorgaben und externe Erwartungen zwingen sie zusätzlich in eine neue Rolle, die sich nur durch hohe Sachkompetenz wahrnehmen lässt. Entsprechend müssen die Aufsichtsräte ihr Wissen zur Nachhaltigkeit und nachhaltigen, zukunftsweisenden Unternehmensstrategien ausbauen, sich mit dem Thema identifizieren und seine Bedeutung begreifen und schließlich verinnerlichen.