FinTechs auf der Überholspur
Bankgeschäfte mit dem Handy – das galt lange Zeit als nicht massentauglich. Heute gibt es zahlreiche Firmen, sogenannte FinTechs, die den Finanzsektor kräftig durchrütteln. Ein Querschnitt durch die Szene.
Einen teuren Kredit bemühen wegen einer Spiegelreflex-kamera? Das war gestern. Heute borgt man sich dafür unkompliziert mit Hilfe von Lendstar Geld aus dem Freundeskreis. Neben der schnellen P2P (Peer2Peer) Überweisung, liegt der Vorteil für den Finanzier auf der Hand: Er behält ganz leicht den Überblick über seine Geldgeschäfte. Egal, ob für ein gemeinsames Geburtstagsgeschenk gesammelt oder der vergangene Urlaub noch beglichen werden muss. Naturgemäß betrifft dies eher kleinere Beträge zwischen 50 und 200 Euro. Da die Empfänger aus dem Bekannten- oder Freundeskreis kommen, werden auch keine aufwendigen Sicherheitsmechanismen gebraucht. Die Überweisung funktioniert so einfach wie das Verschicken einer WhatsApp Nachricht.
Unkompliziert – das ist schon lange das Stichwort unter dem die Entwicklung dieser Finanzdienstleistungen steht. Sie versprechen eine simple, schnelle und höchst nutzerfreundliche User Experience – etwas, das Großbanken in den letzten Jahrzehnten immer seltener bieten konnten oder wollten. Es gibt ohne Zweifel viel Raum für Verbesserungen im klassischen Privatkundengeschäft. Bill Gates soll einmal gesagt haben „Banking is necessary, banks are not“. Die Bank als Institution ins „Aus“ stellen, genau das scheint die Absicht sogenannter „FinTechs“ (kurz für Financial Technology) zu sein. Sie optimieren Prozesse aus der Finanzwelt mit Hilfe von Technologie.
Ein Star aus der deutschen FinTech Szene ist Kreditech. 2012 gegründet, vergeben die Hamburger Darlehen an diejenigen, die von klassischen Banken mangels Kreditwürdigkeit unbeachtet bleiben. Bank the underbanked, lautet das Motto. Doch nicht nur das Geld wird über das Web vergeben: Ob jemand eines Kredites würdig ist, hängt unter anderem davon ab, wie er sich im Netz verhält. Darauf schaut Kreditech genau. 2014 galt Kreditech als das vielversprechendste Unternehmen im deutschsprachigen FinTech Bereich. Vier Jahre nach Gründung beschäftigt die Gruppe 300 Vollzeit Mitarbeiter an sieben Standorten.
Das Geld sitzt zur Zeit locker, wenn es um FinTechs geht. Das Berliner Versicherungs-Startup Friendsurance kassierte von mehreren Investoren 15,3 Millionen Euro. Currencyfair aus Irland erhielt acht Millionen Euro und kaum eine Woche vergeht ohne News aus der Szene.
Doch nicht nur die Meldungen von Millionen Investments überschlagen sich. Zahlreiche Award-Verleihungen und Pitch Events schaffen den FinTechs eine Bühne. Zum besten europäischen FinTech Unternehmen wurde etwa ein Startup aus der Welt der Authentifizierung gekürt: Die Schweden von BehavioSec stellen die Identität eines User sicher, indem sie das online Verhalten speichern und wiedererkennen. Mehr als 400 Kandidaten bemühten sich um einen Platz auf der Shortlist des Fintech Awards, der im April in den Niederlanden verliehen wurde. Darunter auch Wikifolio, eine Business Idee aus Österreich, die ebenso einen Award mit nach Hause nahm. Wer sein Geld nicht in anonyme Fonds investieren will, der findet bei Wikifolio mit wenig Budget recht simpel interessante Portfolios. Wenig überraschend heimste auch die deutsche Kreditech den „Best financial inclusion“ Award ein.
Jeder braucht sie, aber keiner will sie: Versicherungen sind für Kunden nicht zuletzt „dank“ des kryptischen Papierkrams ein Graus. Genau dort schließt die schweizerische Knip AG eine Lücke und bietet einen unkomplizierten Versicherungsmanager fürs Smartphone. Sie wurde zur „Best Insurtech“ Company“ gewählt.
Anderer Ort, selbe Zeit: Im April ging in London der Fintech Innovation Award über die Bühne. Innovator des Jahres war hier ClearScore. Die Briten versprechen kostenlosen Zugang zur eigenen, sonst so schwer zugänglichen, Kredithistorie.
Es tut sich viel im FinTech Markt. Ob die Neuen sich halten und die Banken tatsächlich ins Abseits stellen, wird die Zeit zeigen.