Deutsche Unternehmen brauchen Mut zu jüngeren Aufsichtsräten die innovativ denken können
Bei der Digitalisierung oder anderen Transformationen in Deutschlands Unternehmen erwarten alle, dass die Vorstände endlich liefern: zukunftsträchtige Projekte und Strategien oder am besten gleich eine geniale Vision. Der zweite Part in der Unternehmensspitze – der Aufsichtsrat – wird dabei weithin übersehen. Dabei könnte er die Entwicklung der Unternehmen genauso mitprägen und vorantreiben, denn der Aufsichtsrat ist nicht nur Kontrollgremium, sondern immer auch Berater der Unternehmensleitung. Bei aktuellen Themen wie der Digitalisierung hat die überwiegende Mehrheit der Aufsichtsräte allerdings ohnehin in jeder Funktion ein gravierendes Problem: Sie versteht zu wenig davon.
Alte Aufsichtsräte bremsen Transformationen aus
Es besteht kein Zweifel daran, dass in allen Aufsichtsräten honorige Damen und Herren sitzen, die über langjährige Lebens- und vor allem Wirtschaftserfahrung verfügen, selbst wenn nicht jeder Posten vorrangig nach Kompetenz besetzt wurde. Ganz allgemein stammt die Wirtschaftserfahrung der Aufsichtsräte aber noch aus einer Wirtschaft in der Version 3.0. Zu den beherrschenden Themen der Industrie oder Wirtschaft 4.0, den Techniken oder Möglichkeiten dahinter fehlt den Räten alters- und erfahrungsbedingt jede tiefergehende Expertise. Angesichts der Komplexität der Materie lässt sich das auch nicht mehr mit der Lektüre von ein paar Handouts aus der IT-Abteilung kompensieren.
Ohne profunde Kenntnis digitaler Themen mit ihren Hintergründen oder Zusammenhängen können Aufsichtsräte praktisch überhaupt keine ihrer Aufgaben noch sinnvoll erfüllen. Sie sind nicht mehr in der Lage, zu kontrollieren, was die Unternehmensleitung unternimmt. Erst recht können sie keine Sparringspartner mehr für den Vorstand werden und ihn bei der strategischen digitalen Unternehmensausrichtung beraten. Mit fehlender Kompetenz – oder besser digitaler Inkompetenz – werden die Aufsichtsräte dann zu einem massiven Bremsklotz für die weitere Unternehmensentwicklung, weil sie eine digitale Transformation vielleicht nicht aufhalten, aber zumindest deutlich verlangsamen.
Besserer Rat durch Digital Natives
Die Deutsche Telekom AG hat es schon vor einigen Jahren vorgemacht und mit dem Xing-Gründer Lars Hinrichs ausgewiesene Digitalkompetenz auf höchstem Niveau in den Aufsichtsrat geholt. Es muss nicht immer gleich ein derart großer Coup sein. Aber jeder Aufsichtsrat kann nur davon profitieren, wenn bei zukünftigen Neubesetzungen vorrangig Digital Natives mit Businesserfahrung und Innovationsgeist auf die Kandidatenliste gesetzt werden. Sie bringen das in dieser Zeit notwendige Fachwissen mit und bereichern die Kontrollgremien neben ihrer Sachkenntnis auch grundsätzlich mit den neuen Denkmustern oder Herangehensweisen des digitalen Zeitalters und einem ganz anderen Problemverständnis für digitale Aspekte und Themen.
Zuletzt müssen die Aufsichtsräte dann noch die Bereitschaft entwickeln, solche Kandidaten nicht nur als Beruhigungspille oder Maskottchen zu installieren, sondern sie aktiv in die Aufsichtsratsarbeit einzubeziehen. Dabei können sie unter Umständen sogar zu Mentoren etablierter Räte werden. Dieses personelle Update braucht jetzt jedes Unternehmen, denn die Zukunftsfähigkeit entscheidet sich auf allen Ebenen – und damit auch im Aufsichtsrat.