Print ist tot, es lebe Print – Diversifikation ist das Zauberwort
In den Chefetagen der Tageszeitungen ist die Stimmung schon lange schlecht. Obwohl ihr Untergang seit Jahren beschworen wird, gibt es sie noch – dem digitalen Wandel zum Trotz. Wohin entwickelt sich die Tageszeitung?
Die Leser wandern schon lange ins Web ab. Nachrichten werden online durchgescrolled, Live Videos, Analysen und Hintergrundinfos findet man ebenso brandaktuell am Tag des Geschehens im Web. Die gedruckte Tageszeitung kann hier meist einfach nicht mit. Die Folge sind sinkende Auflagen, Umsatzeinbrüche durch fehlende Abos und damit einhergehend schrumpft auch das Anzeigenvolumen – ein wichtiges Standbein um gute journalistische Arbeit überhaupt zu finanzieren. Eine Reihe von Entlassungen oder sogar Schließungen waren die Folge.
Dabei liegen die Fakten doch auf der Hand: Nachrichten und schnelle Information sind gefragter denn je, die online Reichweiten sind fantastisch. Warum scheinen Tageszeitungen also nicht in der Lage, ihr Geschäftsmodell ins Webzeitalter zu tragen?
Was hat sich verändert
Die Regeln des Spiels änderten sich zum einen durch den explosionsartigen Zuwachs des Angebots: Die Nutzungsdauer einzelner Quellen beschränkt sich folglich nur mehr auf wenige Minuten. Medien müssen es schaffen, diese kurze Spanne der Aufmerksamkeit für sich zu nutzen. Hinzu kommt die neue Macht des Lesers: Praktisch jeder hat Zugang zu Nachrichten und kann selbst welche verbreiten. Somit braucht weder der Leser die Zeitung zwingend, um an Infos zu gelangen, noch braucht sie der Autor, um an seine Leser zu kommen. Folglich muss der Fokus der Zeitung weg vom eigenen Produkt hin zum Kunden – wie so oft, wenn vom digitalen Wandel die Rede ist.
„Der Druck der Zeitung ist lediglich eine vorübergehende Erscheinungsform, die mit dem spezifischen Wesen der Zeitung nichts zu tun hat“, formulierte einst Robert Brunhuber. Der Zeitungswissenschaftler sagte diesen Satz jedoch nicht erst gestern, sondern im Jahre 1907. Umso erstaunlicher ist es, dass die Printwelt 100 Jahre später vom digitalen Wandel regelrecht überrascht wurde.
Die Emanzipation der Zeitung vom Papier
Zeitungen haben natürlich reagiert und ihr Angebot sowohl für den Leser als auch den Werber mittlerweile ins Web transferiert. Online Werbung erzeugt allerdings nur einen Bruchteil der Umsätze, die Printanzeigen versprechen. Das große Minus kann entweder mit Einsparungen oder alternativen Erlösquellen wettgemacht werden. Wer sein Medium nicht kaputt sparen will, muss innovativ sein.
Große Verlagshäuser greifen da schon mal zur Variante des „kofinanzierten Journalismus“ und erweitern ihr Angebot um Leistungen, die nicht mehr viel mit ihrem Kerngeschäft zu tun haben. Seminare und Konferenzen sollen so das Fortbestehen der Print-Zeitung querfinanzieren. Kleinere Zeitungen haben dafür kein Kapital und müssen schließen – so wie die Deister-Leine-Zeitung 2012 nach 126 Jahren. Nicht mehr viel am Hut mit dem eigenen Kerngeschäft hat auch Axel Springer nach seiner Metamorphose im Jahr 2013: Damals begann der Umbau zum digitalen Riesen, gleichzeitig stieß das Unternehmen Printprodukte im großen Stil ab.
Axel Springer setzte seine Strategie konsequent fort und kaufte sich bei vielversprechenden Web Start-Ups ein. Besonders die Beteiligung am online Kleinanzeigengeschäft – also etwa für Jobs, Autos oder Boote- fährt kräftige Gewinne ein. Die Rechnung scheint aufzugehen: 62 Prozent der Gesamterlöse sollen 2015 bei Axel Springer bereits digital erwirtschaftet worden sein. Bei den Werbeerlösen waren 2015 sogar 80 Prozent aus den digitalen Aktivitäten zu verzeichnen.
Paid Content: Ende der Gratiskultur?
Wer die eigentliche Kampfarena jedoch nicht verlassen will, der bietet seine Printinhalte im Web an und versucht sie durch den zahlenden Leser zu finanzieren. Als Vorbild ging 2012 die NYTimes voran. Seither werden allerorts Gebühren für Inhalte einkassiert. Auch Axel Springer zog nach und jubelte, als die verbleibenden Tageszeitungen BILD und WELT mit ihren digitalen Abo Modellen Ende 2015 bereits 384.000 zahlende Kunden zählten. Das gibt Grund zur Hoffnung: Die Zahlungsbereitschaft scheint trotz bestehender gratis Inhalte, da zu sein.
Aktuell listet der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) 122 Zeitungen mit „paid content“ Angeboten. Micropayment Systeme wir Laterpay sollen die Barriere für Impulskäufe digitaler Inhalte weiter senken. Nach dem Motto „Jetzt lesen, später zahlen“ werden Artikel im Centbereich erst ab einer Gesamtsumme von fünf Euro abgerechnet. Die Leser der Hamburger Morgenpost sind nicht abgeschreckt: 70 Prozent der User, die auf einen Artikel klicken, kaufen ihn dann auch. Eine nächste Entwicklung könnten Zusammenschlüsse mehrerer Verlagshäuser sein, die dann gegen Pauschalgebühr Zugang zu allen Inhalten ermöglichen.
Diversifikation: Das Modell der Zukunft?
Lange haben Medienhäuser gezögert um für ihre Inhalte online Geld zu verlangen. Seit die Bezahlschranke gefallen ist, scheinen sie- wohl zu ihrer eigenen Überraschung- durchaus Geld damit zu verdienen. Trotzdem ist „paid content“ nur ein nettes Zubrot. Die Existenz einer gedruckten Tageszeitung ist damit kaum zu sichern.
Der digitale Wandel zwingt Printmedien ihr Geschäftsmodell nicht nur auf eines, sondern auf viele, neue gesunde Beine zu stellen. Auch wenn sich Zeitungen diese eine neue Ölquelle, aus der es wieder kräftig sprudeln soll, sehnlich herbei wünschen – geben wird es sie wohl nicht. Nach neuen Quellen muss an vielen Stellen gebohrt werden – Diversifikation ist das Zauberwort. Das journalistische Produkt der Zukunft wird gerade erst geschaffen.