Good Governance: Der Aufsichtsrat von morgen muss mehr können und leisten
Mehr Kompetenz notwendig
Die Interessenwahrung oder Schutzfunktion eines Aufsichtsrats kann in Zeiten von Dynamik und Wandel immer weniger erst im Nachhinein erfüllt werden. Die Räte müssen vorausschauend über das Unternehmen wachen und sich dazu aktiver in strategische Planung oder Entscheidungen der Vorstände einbringen und einmischen. Das setzt zuallererst Branchenerfahrung oder zumindest Basiskompetenzen im jeweiligen Geschäftsfeld der Unternehmen voraus. Aufsichtsräte müssen deswegen aber nicht gleich zu Expertengremien wachsen. Schon einzelne Expertinnen oder Experten können genügen, damit ein Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit die notwendige Kompetenz aufbaut.
Es ist Interaktion gefragt
Dieser Prozess verlangt nach effizienter Kommunikation und weiteren Soft Skills, damit er gelingen kann. Solche Fähigkeiten benötigen Aufsichtsräte in ihrer neuen Rolle aber nicht nur intern. Zukünftig stehen sie in einem viel engerem Verhältnis und Austausch mit ihrem Vorstand. Die vorausschauende Überwachung macht sie verstärkt zu Beratern der Unternehmensführung. Das Bild der Sparringspartner der Vorstände veranschaulicht das veränderte Verhältnis gut: Aufsichtsräte sind zukünftig aktiv in die Entwicklung von Vorstand und Unternehmen eingebunden. Dazu müssen sie über Fachkompetenz, Kommunikation oder Moderation hinaus ebenso mit all den Themen vertraut sein, die für die Unternehmenszukunft zentrale Rollen spielen.
Good Governance
Eng an das klassische Aufsichtsratsprofil lehnen sich hier Regeln wie der regelmäßig wachsende Corporate Governance Kodex an. Gleich darauf folgen ESG-Kriterien für umfangreiche Nachhaltigkeit, deren Erfüllung Kunden oder Investoren und Shareholder zunehmend von einem Unternehmen fordern. Hier geht es fließend weiter zum großen Thema Digitalisierung oder auch zu der durch die Coronapandemie aufgezeigten, notwendigen Resilienz eines Unternehmens. Wieder heißt es für die Aufsichtsräte: durch gezielte Berufung einzelner Expertinnen und Experten Gesamtkompetenz in sämtlichen Feldern aufbauen. Im Zuge dessen wird die Arbeit eines Aufsichtsrats außerdem deutlich intensiver. Statt turnusmäßigen Treffen entwickelt sie sich zu einem kontinuierlichen Prozess, für den einzelne Räte genügend persönliche Unabhängigkeit und Engagement mitbringen müssen.
Transformation in vollem Gang
Zuletzt ist festzuhalten, dass sich der erforderliche Wandel in vielen Unternehmen oder Aufsichtsräten bereits vollzieht. Regelmäßige Panel-Befragungen der Zeitschrift „Der Aufsichtsrat“ zeigen aber auch noch einen langen Weg bei der Transformation an. Standen die Panels 20 und 21 überwiegend unter dem Zeichen von Coronapandemie oder Nachhaltigkeit und ESG, beschäftigte sich zuletzt die 19. Panel-Befragung intensiver mit dem Aufsichtsrat von morgen. Seinerzeit Ende 2019 dokumentierte die Befragung ein geteiltes Bild. Während die eine Hälfte der Aufsichtsräte bereits eine intensive Auseinandersetzung mit Strategien und Vorständen bestätigte, sahen rund 40 Prozent noch keine Notwendigkeit, Veränderungen an ihrer Arbeit vorzunehmen.
Wie bei der Digitalisierung fällt auf: Auf dem Weg zum Aufsichtsrat von morgen gibt es Vorreiter und einen frappierend ähnlichen Prozentsatz von Nachzüglern oder Zauderern. Hier droht ein Bruch in der deutschen Wirtschaftslandschaft. Während eine ganze Reihe von Unternehmen ihre Zukunftsfähigkeit stärkt, drohen viele zurückzufallen oder auszuscheiden. Das darf kein Aufsichtsrat oder Unternehmensvorstand mehr ignorieren.