Digitalisierung in der Fitnessbranche: Die Vermessung des Selbst
Aufzeichnen, überwachen, optimieren: Das waren immer schon die Grundpfeiler der Fitnessindustrie. Doch längst wird das Geld nicht nur mit Proteinpillen und Mitgliedsbeiträgen verdient.
Ein Shirt, das Daten sammelt und an eine App sendet. Yogamatten, die sich melden, wenn die Pose falsch eingenommen wird. Ein Armband, das sagt, ob wir uns genug bewegt und wie viele Kalorien wir verbraucht haben: Bitkom Research fand heraus, dass bereits 31 Prozent der Bundesbürger über 14 Jahren sogenannte Fitness Tracker zur Aufzeichnung ihrer Gesundheitsdaten verwenden. Fitness Tracker können Smart Watches, Armbänder oder Apps am Handy sein. Berühmt und bekannt ist dabei die App Runtastic aus Österreich. Egal ob man jogged oder mit dem Rad fährt, wer seine Daten mit der Runtastic Community teilt, wird extra laut angefeuert. Bei den Armbändern, die nicht nur zurückgelegte Kilometer, sondern auch andere alltägliche Aktivitäten wie das Treppensteigen oder das Schlafverhalten mit aufzeichnen, ist Fitbit Weltmarktführer. Im Jahr 2014 wurden laut IDC weltweit 26,4 Millionen Stück sogenannter Wearables verkauft, 2015 waren es bereits 72,1 Millionen. Fitbit suggeriert dabei, man könne nur mit diesen Produkten seinen eigenen Stil und die absolute Freiheit finden.
Freiheit auf Kosten der Freiheit
Doch trügerischer könnte die Freiheit wohl nicht sein. Die Bühne der Fitnessapps betreten ohne große Überraschung nun auch Versicherungen und Krankenkassen. Der Deal lautet: Daten sammeln, Daten teilen und dafür Rabatte kassieren. Wer beweist, dass er sich fit hält, schlägt den günstigeren Tarif heraus. Obwohl Datenschützer laut aufschreien, scheint jeder dritte Deutsche laut einer Studie des Bitkom willig, sich gegen Vorteile kontrollieren zu lassen. Und so könnte es sein, dass es sich in naher Zukunft ganz normal anfühlt, ständig vom Arbeitgeber oder der Versicherung überwacht und vermessen zu werden. Wer nicht mitspielt macht sich verdächtig und hat womöglich etwas zu verbergen. Die Macher von Unfitbits nehmen den Verkauf der persönlichen Freiheit so nicht hin. Auf Unfitbits.com geben sie Tipps und Tricks um an die Versicherungsrabatte zu kommen, ohne den eigenen Tagesablauf großartig zu verändern.
Trends im Fitnessstudio
Was mit „Runtastic“ beim Laufen kaum mehr wegzudenken ist, spielt beim Gerätetraining noch keine große Rolle. Das will das Wiener Start-up Fittrack nun ändern. Mit rund 50 Sensoren, die im Gewichtsstift von Kraftgeräten eingebaut sind, sollen Trainingsdaten automatisch gespeichert werden. Auch Freihanteln und Kardiogeräte sollen bald Leistungsdaten aufzeichnen.
Ist der Fitnesstrainer damit ein nun aussterbender Beruf? Im Gegenteil antwortet Milon, eine Firma, die mittels biometrischem Erkennungssystem den gesamten Körper innerhalb von fünf Sekunden vermisst. Man hätte bei gleichbleibend hoher Einstellqualität, mehr Zeit für die persönliche Betreuung. Fitnessstudios könnten Interessenten bald auch mittels Virtual Reality durch das Studio führen. Diese Technik entwickelte das Start-up Mxo-Media aus Köln und ermöglicht es so Betreibern, schon lange vor Baustart des Studios Interessenten durchzuführen und Mitgliedschaften abzuschließen. Überhaupt wird dem Thema „Virtual Reality“ noch großes Potential in diesem Segment prophezeit.
Laut einer Studie von Deloitte geht es der deutschen Fitnessbranche nicht schlecht: Ende 2015 waren 9,5 Millionen Menschen Mitglied in einem Fitnessclub, das sind immerhin 4,2 Prozent mehr als im Jahr davor. Trotzdem ist hier noch einiges zu holen, wenn man die Deutschen mit den Norwegern (19,4 Prozent) oder Schweden (16,7 Prozent) vergleicht. Ob dieser digitale Innovationsschub ausreicht, um die Mitgliedschaften in Fitnessstudios weiter wachsen zu lassen, wird sich zeigen.
Online Fitness
Womit sich eindeutig leichter Geld verdienen lässt, sind online Fitnessangebote: Im Gegensatz zum Studio muss kaum investiert werden, um schnell profitable Umsätze zu erzielen. Die Studie von Deloitte zählt 420.000 registrierte Mitglieder von Online-Fitnessstudios in 2015. 109.000 Nutzer bezahlten für die digitalen Angebote. Ein großer Player in Deutschland ist 7Next GmbH. Dahinter steckt eine Beteiligung der ProSiebenSat.1 Digital & Adjacent GmbH. Die Programme selbst werden von bekannten Sportlern und Celebrities wie Skistar Maria Höfl-Riesch oder Yoga Queen Ursula Karven promotet. Des Weiteren mischen auch Adidas und der Sportartikelhersteller Under Armour (Nike) kräftig im online Fitness Business mit. Kein Wunder, dass gerade diese beiden Player 2015 tief in die Tasche griffen, um auch im Markt der Fitnesstracker ganz vorne mit dabei zu sein: Für Endomondo und MyFitnessPal blätterte Under Armour insgesamt 560 Millionen Euro hin. Konkurrent Adidas übernahm wenige Monate später Runtastic für 220 Millionen Euro. Ein Shooting Star ist das Start-Up Freeletics aus München: 2013 gegründet, verschickten sie zunächst wöchentlich Trainingspläne per pdf. Heute wird Freeletics bereits in 160 Ländern angeboten und soll mehr als 7 Millionen Nutzer zählen. Das Versprechen der Münchner: Nahezu ohne Geräte, in nur 45 Minuten und 15 Wochen zur Form des Lebens gelangen.