Digitale Führungskompetenz will gelernt sein
Alle weisen auf die Vorteile hin: zuallererst geringere Kosten für die Büros. Überraschenderweise wollen große Tech-Konzerne, die bei Produktinnovationen wie bei fortschrittlichen Arbeitsmodellen oft als Vorbild galten, nicht so leicht ihre Mitarbeiter loslassen oder an der längeren Leine führen. Bei Amazon spricht man von einer „bürozentrierten Kultur“, Netflix nennt es „rein negativ“, nicht mehr persönlich zusammenzukommen und die Investmentbanker von Goldman Sachs sehen im Homeoffice sogar einen „Irrweg“. Deutsche Konzerne wie die Allianz SE äußern sich ganz anders: Vorgesetzte müssen auch loslassen können, heißt es da. Allein dieses Loslassen dürfte vielen Vorgesetzten schon schwerfallen. Noch schwerer fällt es Führungskräften nach letzten Umfragen aber offenbar, auf Distanz digital zu führen.
Wie sieht gute digitale Führungskompetenz überhaupt aus?
Digitale Führung bedeutet, häufig oder über längere Zeiträume Mitarbeiter nur mit digitalen Tools anzuleiten, sie zu motivieren oder auch ihre Leistungen zu bewerten. Klassische Führungskompetenz erweitert sich dabei um eine digitale Dimension. Bewährte Fähigkeiten bis hin zur sozialen Intelligenz über Generationen und Kulturen hinweg erfolgreich kommunizieren zu können, haben weiterhin Bestand. Neue Anforderungen entstehen jedoch im Bereich Innovations- und Medienkompetenz. Das bedeutet gleichzeitig bei den Soft Skills für Führungskräfte mehr Anpassungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft. In Gesprächen von Angesicht zu Angesicht oder in realen Meetings funktioniert eine durch Positionen geschaffene Hierarchie zumeist gut. Hier sehen Führungskräfte nun oft Probleme. Bei virtuellen Besprechungen verlieren die Hierarchien für sie schnell ihre Wirkung. Das Gefühl von Freiheit, das Mitarbeiter im Homeoffice und in virtuellen Teams genießen, senkt aus Sicht der Führungskräfte zugleich ihre Empfänglichkeit für die Anweisungen innerhalb typischer Hierarchien. Damit liegen sie nicht falsch: Mitarbeiter wollen jetzt anders angesprochen werden und diese Ansprache darf nicht den Anlass für einen Bürotermin bilden – sie muss genauso wie die andere Zusammenarbeit digital erfolgen.
Digitale Führungskompetenz will gelernt sein
Das erfordert neben verändertem Verhalten oder einer angepassten Kommunikation in erster Linie Fingerspitzengefühl, Gewöhnung und Leichtigkeit im Umgang mit den neuen Medien. Laut Umfragen glauben viele Führungskräfte, dass ihre Anweisungen auf digitalen Wegen weniger ernst genommen werden als vis-à-vis. Weiter bestehen Zweifel zur richtigen Einschätzung der Mitarbeitermotivation. In der Folge gehen vielen die Maßstäbe verloren, nach denen sie ihre Mitarbeiter noch konkret beurteilen und Förderung oder individuelle Ansprachen steuern können. Hier erwarten die Führungskräfte einige Hausaufgaben. Sie müssen in erster Linie bei einem natürlicheren und kompetenteren Umgang mit digitalen Tools beginnen. Nur so können die neuen Kommunikationsmittel zur Selbstverständlichkeit werden. Dann lenken keine Bedienungsfragen oder Unsicherheiten mehr ab und das Augenmerk kann sich wieder auf die eigentliche Kommunikation mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern richten – wie zuvor in persona. Das Training dazu können Führungskräfte selbst tagtäglich mit Learning by Doing absolvieren, oder sie kürzen den Lernprozess mit Coachings ab. Entscheidend ist nur, dass sie möglichst schnell die neue digitale Kommunikation erlernen, um Mitarbeiter und damit das Unternehmen in Richtung einer erfolgreichen Digitalisierung zu lenken.