Die Zukunft der Arbeit: Angst bringt uns nicht weiter
Wir fürchten schon lange, dass uns Roboter eines Tages ersetzen könnten. Heute tun sie das bereits in vielen Bereichen. Doch diese Entwicklung ist nicht nur ein Grund zur Angst, sondern auch zur Freude. Dafür müssen wir Arbeit neu denken.
Die Digitalisierung wird als vierte industrielle Revolution bezeichnet, nach der Erfindung der Dampfmaschine, des Fließbandes und des Computers. Sie beflügelt unsere Fantasie, treibt Innovation und verändert unsere Wirklichkeit. Eine zentrale Veränderung betrifft vor allem das Thema Arbeit – vom Fließband- bis zum Wissensarbeiter.
Der austauschbare Mensch
Das Zeitalter des Fließbandes begann mit der Industrialisierung. Danach verdienten Arbeitnehmer auch zunehmend in der Dienstleistung als Kellner, Friseur oder Call Center Mitarbeiter ihren Lebensunterhalt. Jetzt, inmitten in der Digitalisierung, verwandeln wir uns zusehends in eine Wissensgesellschaft. Somit verändern sich auch Dienstleistungsjobs: Selbstfahrende Autos ersetzen den Taxifahrer, der Self-Service Check-out die Kassiererin, Drohnen den Lieferdienst. Doch dieser Wandel betrifft nicht nur physische Arbeit. Wer glaubt mit einem Bürojob auf der sicheren Seite zu sein, wird enttäuscht. Softwareprogramme übernehmen auch hier Routineabläufe und Verwaltungsaufgaben. Selbst komplexe logistische Abläufe und Diagnosen können heute schon durch Programme erstellt werden. Architekten, Ingenieure und Ärzte – alle scheinen zu einem gewissen Grad austauschbar.
Zur Zeit werden Roboter in nur 30 Prozent aller möglichen Funktionen eingesetzt. Wenn aber intelligente Maschinen nicht nur physische, sondern auch kognitive Arbeiten übernehmen, könnten in Deutschland durch neue Technologien 42 Prozent der Beschäftigten ihren Job verlieren. Ein anderer Forecast aus den USA von der Oxford Martin School wurde auf deutsche Verhältnisse umgelegt und kam zum Schluss, dass die Automatisierung mittel- bis langfristig sogar 18 Millionen Arbeitsplätze bedroht.
Bedrohung oder viele neue Chancen?
Doch es gibt auch durchaus Grund zur Zuversicht. Selbst wenn Routineaufgaben an automatische Systeme übergeben werden, fehlt es Maschinen immer noch an Menschenverstand, Intuition, Empathie und Kreativität. In vielen Berufen werden wir die gewonnene Zeit für anspruchsvollere Aufgaben nutzen.
Freuen wir uns doch, wenn der Arzt weniger Verwaltungsaufgaben erledigen muss und sich so mehr Zeit für Patientengespräche nehmen kann. Wir sollten optimistisch in die Zukunft blicken, wenn Arbeit plötzlich weniger monoton ist und uns dafür mehr fordert und auch fördert. Obwohl es eine Verschiebung zu anspruchsvolleren Tätigkeiten gibt, muss man sich keineswegs fürchten, dass die Digitalisierung nur mehr Jobs für Hochqualifizierte bereithält. Auch mittlere Qualifikationen werden weiterhin gebraucht, zum Beispiel in Vertrieb und Service. Für Niedrigqualifizierte wird es höherwertige Aufgaben geben. Sie entwickeln sich weiter und werden durch den technischen Fortschritt von körperlich anstrengender und gefährlicher Arbeit befreit. Je komplexer das System, desto schlimmere Folgen haben Störungen. Somit wird man immer Mitarbeiter brauchen, die in der Lage sind, unerwartet auftretende Probleme in der sogenannten Smart Factory zu lösen. Es entstehen eine Reihe neuer Jobs für Fachleute, die Roboter konfigurieren und trainieren. Auch in der IT-Sicherheit und Datenanalyse wird es noch nicht dagewesene Berufsbilder geben.
Digitale Bohème
Wir stehen vor einer Vielzahl neuer, attraktiver Möglichkeiten. Nicht nur die Arbeit selbst, sondern auch die Art und Weise, wie wir sie verrichten, verändert sich. In Summe könnten wir sogar weniger arbeiten und das bei gleichbleibendem wirtschaftlichem Niveau. Virtuelle Teams, vernetztes Arbeiten, Unabhängigkeit von Zeit und Ort machen es für Wissensarbeiter schon in vielen Jobs möglich. Beschäftigte werden mehr Freiheit haben und Entscheidungen selbst treffen. Unternehmen arbeiten zunehmend in Netzwerken zusammen, die sich schnell verändern. Stephan Aarstol hat kürzere und effizientere Arbeitszeiten in seiner Firma zur Regel gemacht: Mitarbeiter sollen nur fünf Stunden am Tag arbeiten, dafür aber effizienter. Diesen Lifestyle macht uns die digitale Bohème längst vor. Der Preis für Freiheit und Selbstbestimmung ist eine zunehmend verschwimmende Grenze zwischen Privat und Beruf. Wer aber ohnehin nach dem Leitsatz digitaler Nomaden handelt, tut ja beruflich meist nur das, was er liebt. Wo und wann dies dann getan wird, ist sowieso zweitrangig.
Zukunftsforscher Erik Händeler befasst sich mit der Wissensgesellschaft und der Entwicklung einer neuen Arbeitskultur. Er meint, dass Wirtschaft immer weniger in der materiellen Welt als in der gedachten stattfinden wird: „Die Arbeit wird künftig in Netzwerken organisiert werden, die nach tagesaktueller Kompetenz zusammengestellt werden. Jeder Mitarbeiter ist mal mehr und mal weniger wichtig, die Hierarchien werden noch flacher.“ Chefs werden andere Aufgaben haben und nicht mehr Verwalter der Ressource Mensch sein. Statt als Anweiser und Arbeitszeitaufzeichner werden sie als Moderatoren gefragt sein. Sie sind gefordert, die Stärken ihrer Mitarbeiter zu erkennen und richtig einzusetzen.
Gestalten, nicht fürchten
Nicht nur das Jobprofil von Führungskräften wird herausgefordert. Auch unser gesamtes Sozialsystem wird sich zwangsläufig verändern müssen. Derzeit hängt die Finanzierung unseres Wohlfahrtsstaats stark am Modell der Erwerbsarbeit. Vor allem menschliche Arbeit wird besteuert. Wenn Unternehmer deutliche finanzielle Anreize haben den Mensch durch die Maschine zu ersetzen und wir alle weniger arbeiten, fallen große Teile der Steuereinnahmen weg. Dringend notwendig ist daher neben der technologischen Diskussion auch eine politische, um unsere Arbeits- und Lebenswelten aktiv zu gestalten. Themen wie Chancengleichheit, Bildung, Grundeinkommen müssen neu gedacht werden. Die neuen Arbeitsverhältnisse brauchen einen rechtlichen Rahmen und gesellschaftlichen Konsens.
Tun wir das nicht, dann wird die Technik womöglich die Rahmenbedingungen vorgeben. Es liegt also an uns nicht in Angst vor der Digitalisierung zu erstarren, sondern die Chancen zu erkennen und gestaltend die Initiative zu ergreifen.